Re: Selbsthypnose
von Thomas Decker » Mo 14. Jul 2008, 17:49
Hi all,
ich habe über dreißig Jahre Erfahrung mit Meditation, wozu ich die unbewussten "natürlichen" Anfänge nicht mitrechne. Ich habe mit 12 Jahren aktiv mit Zen-Meditation angefangen. Vorher habe ich regelmäßig Yoga (Hatha Yoga) und Autogenes Training gemacht. Erst als junger Erwachsener habe ich mich ernsthafter auch mit Hypnose und dort vor allem Selbsthypnose beschäftigt und viele Gemeinsamkeiten mit dem autogenen Training gefunden. Das spiegelt sich vor allem in der so genannten gestuften Aktivhypnose wider, die dir sicher auch ein Begriff ist. Seit viel kürzerer Zeit übe ich die Fremdhypnose als Hypnosetherapeut aus.
Nach meiner Erfahrung mit jahrelangen Bewusstseinsexperimenten plus meinem gelernten Wissen ist Meditation per definitionem etwas, das absichtslos mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit und Wachsamkeit stattfindet. Daher - um auch auf Flaschendeckels Frage zu antworten - befindet man sich in der Meditation auch nicht in Trance, so wie wir sie aus der Hypnose oder dem autogenen Training (oder SH) kennen. Trance als Übergangszustand zwischen Schlafen und Wachen kommt einer Bewusstseinseinengung gleich, bei der die Suggestibilität zunimmt. In der Meditation ist das Bewusstsein aber erweitert, oder zumindest doch verschoben. Bewusstseinseinengung geht immer mit einer erhöhten Suggestibilität einher, auch bei unfreiwilligen da krankhaften Bewusstseinseinengungen (Bewusstseinsstörungen), wie z.B. bei Delirien. In der Meditation gibt es keine erhöhte Suggestibilität und auch keine Trance. Das freie Assoziieren, von dem Flaschendeckel schrieb, kann eine Technik sein, solange sie bewusst durchgeführt wird. In den meisten Fällen führt sie jedoch auch unweigerlich in eine Trance. Trance ist ein Abschweifen und Sich-Auflösen, Meditation ist Zentrieren und Ganz-Bei-Sich-Sein. Das Dahin-Träumen beim Bügeln ist ein "Nicht-Bei-Der-Sache-Sein" und damit keine Meditation, sondern ein Trance-Zustand. Das sind zwei ganz gegensätzliche Zustände, die aber immer wieder verwechselt werden. Ich verstehe gut, warum das so ist.
Insofern würde ich deinen Begriff "eine Meditation mit fester Absicht" für eine contradictio in adiecto halten, wenn ich meine eigene gewachsene und bestätigt gefundene Definition von Meditation zugrunde lege.
Auch wenn man den Begriff Meditation weiter fasst, so wie er historisch in der westlichen Geistesgeschichte gebraucht wurde, kann er niemals mit einer Trance (das ist Bewusstseinseinengung, Vigilanzminderung) vereinbar sein. Ich denke da z.B. an die "meditationes de prima philosophia" von Descartes, in der er seine neue Erkenntnistheorie in einer Art Gedankenexperiment entwickelt, ohne die Kants Philosophie und der heutige Konstruktivismusgedanke unddenkbar wären. In dieser westlichen, philosophischen Form der Meditation geht es um die Bildung so genannter "geometrischer" Gedankengebäude, die auf logischen und analogischen Schlüssen beruhen, also einer reinen Verstandestätigkeit. (So etwas gibt es zwar nicht, aber man hat es versucht.) Von dieser Form der Meditation spreche ich natürlich nicht.
Das genau ist die Crux, von der ich schon sprach: Meditation wird oft mit Nicht-Tun und Nicht-Denken gleichgesetzt, was gar nicht so falsch ist. Dieses Moment wird dann aber oft missverstanden als absolute Passivität, die dann auch in der Trance wiederzufinden ist. Dem Nicht-Tun (chinesisch Wu Wei) und Nicht-Denken steht in der Meditation hingegen das wache und aufmerksame Da-Sein gegenüber, ohne das es keine "rechte Versenkung" wäre (von dem in den acht Prinzipien des Buddhismus die Rede ist), sondern nur ein Dahindämmern.
Dahin gehören auch all die "geführten Meditationen", die man auf Tonträgern erwerben kann. Ich will diese nicht abwerten, aber es sind eben keine Meditationen (so wie ich sie kennen und schätzen gelernt habe), sondern geführte Trancen und wahrscheinlich eher Hypnosen als alles andere.
Ich denke, es gibt auf diesem Gebiet eine Verwässerung der Begriffe und viele Missverständnisse. Ich gehe ja auch die ganze Zeit über von meiner eigenen Definition des Begriffs aus, so wie sie für mich richtig ist. Mir fällt aber nichts ein, wie ich das, was ich als Meditation erlebe und als etwas Anderes und Eigenes gegenüber all den Trancetechniken erlebe und kenne sonst nennen könnte. Wenn hier von Meditation als einer Trance oder einer Unterform der Selbsthypnose die Rede ist, wie soll ich dann (in diesem Forum) das nennen, das ich kenne?
Gruß,
Thomas