Heike hat geschrieben:Und was ist, wenn jemand mehr als 1 Kind und mit unterschiedlichen Problemen hat? Spiegelt dann das eine den Vater, das andere die Mutter oder vielleicht verschiedene Aspekte der Probleme wieder???
Nur mal so aus Interesse. Die Nachbarn haben Zwillinge, vollkommen Problembelastet, aber total unterschiedlich.
Dafür muss ich etwas ausholen, um das verständlich zu machen. Sorry, wird etwas länger.
Du hast doch einen tollen Sohn, und hast mit Sicherheit auch schon die Erfahrung gemacht, dass Kinder uns mit der Nase auf unsere eigenen Probleme stoßen. Überlege mal, was dich an deinem Sohn am meisten nervt und vergleiche das mit der Heike von damals. Gab es da einen Bruder? Oder hattest du selber ähnliche Züge oder hättest sie gern ausgelebt ... usw. Das kann sich jeder fragen, der Kinder hat.
Wir reagieren mit Gegenwehr, wenn die Vorstellungen unserer Eltern von unseren Kindern nicht erfüllt werden (ist verrückt), und dieser Gegenwehr ist das Kind absolut nicht gewachsen. Es hält für wahr, was wir ihm sagen oder zieht seine eigenen Schlüsse, die unseren eigenen Schlüssen "von damals" gar nicht so unähnlich sind. Jeder Vater und jede Mutter hat ja auch nicht nur
ein Problem und nicht nur
eine Erwartungshaltung, und es entscheidet sich irgendwann, welche Rolle ein jeder in seiner Familie übernimmt. Die schwächeren Parts haben
immer die Kinder und dürfen damit unsere Probleme ausleben. Klar sind die guten Plätze schon belegt. Wenn man ein Looser ist, hat man eben einen kleinen Tyrannen am Hals. Das geht ganz automatisch. Nicht zu selten werden die Kinder auch (seelisch) krank daran. Es wäre sehr verwunderlich, wenn zwei Kinder in einer Familie genau denselben Mix von Problemen im Familien-System übernähmen, deshalb ist dein Zwillingsbeispiel ganz gut. In jedem System übernimmt jeder die gerade freie Rolle. Das hat vor allem mit der Erwartungshaltung der bereits im System befindlichen Personen zu tun, die vorher da waren. Babies haben keine Erwartungshaltung, sie wollen nur Nähe, Liebe und Essen. Alles andere wird ihnen von den Eltern zugewiesen, daher der zugegebenermaßen überspitzt formulierte Satz, dass Kinder immer die Probleme der Eltern widerspiegeln. Wessen Probleme sollen das denn sonst sein? Ihre ganz eigenen, die aus dem Nichts entstanden sind? Das ist mehr als unwahrscheinlich. Je älter Kinder werden, desto weiter wird natürlich auch der Erfahrungskreis außerhalb der Familie und es kommen neue Rollen in neuen Systemen hinzu, und es gehört viel Glück dazu, hierbei von der gewohnten Rolle des Familiensystems grundlegend abweichen zu können. Dies gelingt vielen während ihres gesamten Lebens nicht. Die führen einfach dieselbe Ehe, die auch ihre Eltern schon geführt haben und denken dieselben Gedanken, die ihnen ihre Eltern eingetrichtert haben, die die Großeltern schon gedacht haben und so weiter. Und bei dem ganzen unbewussten Stille-Post-Schmu soll man gesund bleiben? Es ist ein Wunder, wenn jemand seine Kindheit heil überlebt. Die wenigsten, die behaupten, sie hätten eine tolle Kindheit gehabt, wissen, wie krank sie eigentlich sind und wieviel Unsinn in ihren Köpfen umherspukt. Sie sind genau so, wie die Eltern es ihnen eingetrichtert haben - bewusst oder meistens dann doch eher unbewusst. Ich versuche so oft ich kann, ein so guter Vater zu sein, wie ich es mir von meinem gewünscht hätte, aber das gelingt mir auch nicht immer. Die Verstrickungen der Kindheit sind nicht so ohne Weiteres erkennbar und auch nicht leicht abzustreifen.
Noch abschließend: Am stärksten teilt sich das bei den so genannten schwarzen Schafen in der Familie. Auch diese Rolle wird oft besetzt. Dann gab es mindestens bei einem der Elternteile auch ein schwarzes Schaf in der Ursprungsfamilie ("Oh Gott, der wird ja hoffentlich nicht wie Onkel Freddie.") Die einen werden richtig krank, landen in der Drogenszene, im Gefängnis, bekommen schon früh schwere körperliche Krankheiten ... Oder sie sind diejenigen, die sich am wirkungsvollsten und schnellsten vom Elternhaus befreien konnten und merken: Ah, das Leben ist ja doch super und man kann alles auch ganz anders machen.
Lieben Gruß,
Thomas